Nach Trapani hatte ich mich einige Tage nichts gebucht auch als Möglichkeit tauchen zu verlängern oder doch noch einen Anfängerkurs im Kitesurfen zu machen. Aber irgendwie war ich nicht in der richtigen Stimmung für letzteres und so setzte ich weiter auf die Karte Italien und Kultur und fuhr via Palermo nach Agrigento. Etwas südlich von Agrigento, das auf einem Hügel ein paar Kilometer weg vom Meer thront, hatte am 10. Juli 1943 die Operation Husky stattgefunden. Mit dieser Initiative begannen die Alliierten die Rückeroberung Europas im 2. Weltkrieg. Agrigento wurde dabei teilweise zerstört, glücklicherweise aber nicht die Altstadt respektive die 2km ausserhalb stehenden Ruinen des Valle dei Templi.
Diese Ruinen waren dann nach meiner Ankunft, dem Bezug des Bettes im grosszügigen und voll belegten 12er Zimmers immer einem Spaziergang durch die Stadt auch das erste Ziel.

Sie waren etwa 40 Minuten weit weg aber als ich nach dem Stadtbummel in Google Maps prüfen wollte, wo diese überhaupt liegen, waren es nur noch 20 Minuten. Also lief ich los, ein Besuch in den Abend hinein erschien mir eh sinnvoll.
Um ungefähr 17.30h erreichte ich die Anlage und war definitiv auch nicht der einzige. Man sah den Tempel der Juno bereits oberhalb des Eingangs thronen. Diesmal nahm ich den Audioguide um ein Umherirren zwischen noch mehr Steinen zu vermeiden. Die Stadt Akragas war im 6. JH vor Christus in einer Welle der griechischen Kolonisation gegründet worden, hatte sich aber bald zu einer der wichtigsten griechischen Polis auf Sizilien nach Syrakus entwickelt. Diese Bedeutung wurde durch eine Reihe monumentaler Tempel untermauert, die im Verlauf des 5. JH entlang der teilweise in den Fels gehauenen Stadtmauer auf einem Höhenzug heute etwas unterhalb vom Agrigento gebaut wurden.
Die Besichtigung war spannend und die Anlage gut beschildert und gut unterhalten. Und mit zunehmender Stunde kamen auch mehr Besucher inklusive Hochzeitspaaren für Foto Sessions. Am Ende hatte ich sieben Paare gezählt, jedes mit einem eigenen Heer von bis zu vier Fotografen.

Am eindrücklichsten in der Anlage ist wohl der Concordiatempel, der neben dem Theseion in Athen und dem Poseidontempel in Paestum zu den besterhaltenen Tempeln der griechischen Antike gehört. Welchen griechischen Göttern der Tempel geweiht war, ist allerdings unbekannt. Bekannt ist, dass der Tempel ab Ende des 6. JH nach Christus in einer christliche Kirche umgewandelt wurde. Dabei wurden die Zwischenräume zwischen den Säulen gefüllt und auch innen bauliche Massnahmen vorgenommen. Der Grund war dass es damals eine christliche Weisung gab solche «heidnischen» Tempel entweder abzureissen oder in Kirchen umzuwandeln. Diese weitere Nutzung ist der Grund dafür, dass der Tempel heute in solch gutem Zustand ist. Mitte des 18. JH hat man ein Gros der christlichen Umbauten wieder rückgängig gemacht.
Der Tempel im sogenannten dorischen Stil, dem ersten der drei architektonischen Stilrichtungen der Antike, basiert offenbar stark auf den Konzept der menschlichen Grösse. Die Griechen hatten offenbar erkannt, dass der männliche Körper im Schnitt 7x der Länge des Fusses entsprach. Der Tempel wurde nach diesen Körperproportionen in Länge, Breite und Höhe aufgebaut, mit einer Säulenhalle mit 6 Säulen auf den Schmal- und 13 Säulen auf den Längsseiten, so wie es auch im griechischen Mutterland üblich war. Das Material war Kalk und wurde mit einem hellen Mörtel verziert, einerseits um die Tempel vor Erosion zu schützen, andererseits um zu erreichen dass sie weiss aussehen wie im Mutterland üblich, wo mit Marmor gebaut wurde. Das stand hier aber nicht zur Verfügung. Der Kalk stammte aus den Bergen und wurde mit speziell dafür konstruierten Wagen transportiert oder bei kleineren Blöcken von 8 Sklaven getragen. In der Phase des Hauptbaues der Stadt kamen 30’000 Sklaven zum Einsatz, welche bei der Schlacht bei Himera «erbeutet» worden waren.
Der Audioguide gab auch guten Einblick in die Opferrituale der Bewohner. Dabei wurden auf riesigen Altären bis zu 4 Tiere gleichzeitig geopfert, das Blut floss zentral in die Erde, das Fleisch wurde von den Gläubigern verzehrt und das Fett für die Götter auf den Altar verbrannt.
Der zweite recht gut erhaltene Tempel war der Tempel der Juno oder Hera. Der Tempel war im Jahre 406 vor Christus bei der Belagerung und späteren Einnahme der Stadt durch die Karthager zerstört worden, wurde aber später durch die Römer wieder aufgebaut.
Eindrücklich ist auch die Grösse des sogenannten Zeus Tempels, auch wenn dort keine Säulen mehr stehen. Der Tempel bestand aus 7 x 14 Halbsäulen. Die mindestens 17 m hohen Säulen mit einem Durchmesser von über 4m waren durch eine durchgehende Mauer an der Längsseite verbunden. Fast 8 m hohe Giganten aus Stein, trugen die Last der geschlossenen Außenwand. Einige dieser verwitterten Giganten liegen heute noch an Boden.

Der Tempel der der nie ganz vollendet wurde war der drittgrösste in der Antike überhaupt. Der Tempel stand auf einer riesigen rechteckigen Plattform von ungefähr 56 mal 113 Metern, ungefähr der Fläche eines Fussballfeldes. Er fasste offenbar über 40’000 Menschen und wurde durch den Tyrann Theron ab um 480 v. Chr. erbaut. Er sollte den Sieg über die Karthager in der Schlacht bei Himera verherrlichen. Da allerdings oft kleine Blöcke verwendet wurden, diente er später als idealer Ort um Material für den Hausbau zu holen. Heute ist die Anlage nur noch ein riesiges Trümmerfeld.
Die Entwicklung der Zeit liess sich auch gut an der Stadtmauer ablesen. Diese war zuerst strategisch richtig direkt über Felswänden gebaut worden, einige JH später zur Zeit des Christentums wurden in diese Gräber für die Toten eingemeisselt, die heute noch gut sichtbar sind.
Aber genug zu der für mich durchaus spannenden Antike. Ich hatte eigentlich vorgehabt, den Bus zurück zu nehmen, aber da ich meinen Audio Guide wieder am selben Ort abgeben musste, um an meine deponierte ID zu kommen, befand ich mich am falschen Ort und der nächste Bus würde frühestens in einer Stunde kommen. Also ging ich zügig zu Fuss in der Dämmerung wieder den Hügel hoch nach Agrigento und fühlte mich nach der kalten Dusche wieder so richtig menschlich.